1. Paradigmenwechsel - Entschleunigung im Siebengebirge

1.1 Vorrang für Geschütztes Wohnen 

Die Siebengebirgsregion braucht einen Paradigmenwechsel beim Straßenbau: Das Siebengebirge als gemeinschaftlichen verkehrsberuhigten Raum entwickeln. Die Arbeitsplatz-, Dienstleistungs- und Geschäftszentren an Rhein und Sieg sind auf dem Autobahnbogen um das Siebengebirge herum schnell erreichbar. Die Wohnqualität dagegen ist vielerorts verbesserungsfähig und -bedürftig. Für die letzte Meile zur jeweiligen Wohnung sind Schnelligkeit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht mehr ganz so entscheidend. Die hohe Belastung der Menschen durch den Straßenverkehr kann und soll deshalb zurückgeführt, der öffentliche Bus- und Schienenverkehr schrittweise entwickelt werden.

Bis 1990, als Bonn Hauptstadt der Bundesrepublik war, wurden die Verbindungsstraßen von der Autobahn Köln-Frankfurt (A 3) durch das Siebengebirge zur vierspurigen Bundesstraße im Rheintal (EB 42 / A 59) systematisch begradigt, erweitert und ausgebaut - auf Kosten der Wohn- und Aufenthaltsqualität, vor allem in Ittenbach, Oberdollendorf und Niederholtorf, und gleichermaßen auf Kosten der Premium-Qualität Naturschutz im ältesten deutschen Naturschutzgebiet. Seit der Eröffnung der Siegtalautobahn wird das Siebengebirge als Durchfahrtsgebiet nach Bonn nicht länger gebraucht.

Aus dieser veränderten Situation müssen Folgerungen gezogen werden mit dem Ziel, die Siebengebirgsquerungen zu entschleunigen, um unsere Wohnstandorte und Ortslagen aufzuwerten. Verkehrsberuhigung statt neuer Straßen! Den Anfang könnte die Königwinterer Straße (L 331) machen, die zur Deutschen Alleenstraße zählt (Link zu 1.4.2). Sie darf nicht länger als Schleichweg nach Bonn missbraucht werden, um den Autobahnbogen über die Siegtalautobahn zu vermeiden.

Der Schlussbericht der Verkehrswirtschaftlichen Untersuchung zur Mobilitäsentwicklung in unserer Region vom 8. August 2011 (Link zur Fundstelle der VUM) empfiehlt verkehrsberuhigende Maßnahmen im Siebengebirgsraum (trotz grundsätzlicher Befürwortung des Ennertaufstiegs). Zitat (S.131): "Die Kombination von `kleinen Maßnahmen` zu sogenannten `Push-Pull-Effekten` (Anreize zur Veränderung der Wege- und Verkehrsmittelwahl) sollte von den Entscheidungsträgern forciert werden". Das deckt sich mit den Ergebnissen, zu denen das Planungsbüro Grebe im Auftrag des Rhein-Sieg-Kreises in seinem Gutachten im Dezember 1993 gelangte: es verwirft den Ennertaufstieg grundsätzlich wegen schädlicher Folgen für die Menschen im Siebengebirge und die Natur; es empfiehlt statt dessen ein "Bündel von Maßnahmen" verkehrsberuhigender und -lenkender Art, um die erforderliche Entlastung zu bewirken (Link auf Grebe-Gutachten). Sorgfältig geplante Push-Pull-Effekte sind die Alternative zum Ennertaufstieg (Null-Plus-Variante). Die 20 Jahre andauernde Untätigkeit bei der Verkehrsentwicklung im siebengebirgsraum muss beendet werden.

1.2 Umfahrung Siebengebirge zumutbar
Autofahrer, die wählen können (und wollen) zwischen der Umfahrung des Siebengebirges auf den Autobahnen (Autobahnroute) einerseits, der Querung des Siebengebirges auf Landstraßen andererseits, wägen ab die Länge der Wege, den Zeitaufwand, die Erwartung von Staubildungen und die Fahrdynamik der Strecke (Stop and Go).

Bei Fahrten mit den Destinationen Flughafen und Köln (Köln rrh, -Mitte - A 59) ist die Autobahnroute (gemessen ab Anschlussstelle Siebengebirge der A 3) kürzer, die Fahrdynamik angenehmer. Bei Fahrten mit der Destination Nordbrücke Bonn ist die Autobahnroute um wenig mehr als 4 KM länger, die Fahrdynamik aber deutlich günstiger (keine Ortsdurchfahrt; keine kurvenreiche Landstraße). Bei Fahrten mit der Destination Südbrücke Bonn und Bonn-Beuel sind signifikante Anreize zur Veränderung der Wege- und Verkehrsmittelwahl erforderlich, um die Attraktivität der Siebengebirgsrouten zu mindern. Dies wäre zu unterstützen durch leichtere Zufahrten zur A 3 ("einhüftige" Zufahrten für nördliche Destinationen) von der L 143 (Pleistalstraße) und der L 268 (Dollendorfer Straße) aus (Link zu 1.3.1).

Die aktuell lästigen Staubildungen an der Einmündung der Siegtalautobahn (A 560) in die Flughafenautobahn (A 59) werden der Vergangenheit angehören, sobald der achtspurige Ausbau der A 59 zwischen den Autobahn-Dreiecken St. Augustin West und Bonn Nordost realisiert ist (Link zu 1.4.1).

1.3 Alle sitzen in einem Boot
Die Menschen in den Siebengebirgsorten sitzen im selben Boot, in Holtorf ebenso wie in Hoholz, Birlinghoven, Rauschendorf, Vinxel, Heisterbacherrott, Oberdollendorf, Ittenbach u.a. Für Alle gilt: Weniger Lärm, weniger Schadstoffbelastung als gegenwärtig. Die aktuellen Vorbelastungen durch Fluglärm, Eisenbahnen und Autobahnen sind störend genug! Wer die Verlagerung von Verkehrslärm und Schadstoffimmissionen vom eigenen Wohngebiet zum Nachbarn nach dem Sankt-Florians-Prinzip fordert, handelt unsolidarisch. In allen Siebengebirgsorten muss die Bewahrung und Entwicklung optimaler Wohn- und Aufenthaltsqualität Vorrang haben.

1.4 Herausforderungen an den Paradigmenwechsel
Im Siebengebirgsraum muss die Konzentration des KFZ-Verkehrs auf die Autobahnen angestrebt und umgesetzt werden. Es wird nicht leicht sein, die Gegner dieses Konzeptes, die auf Schnelligkeit und Leichtigkeit des Verkehrs programmiert sind, zu überzeugen:

Der Landesbetrieb Straßen NRW lehnt verkehrsberuhigende Maßnahmen an Landstraßen im Siebengebirgsraum grundsätzlich ab. Das widerspreche der Zweckbestimmung der Landstraßen (Link zu Seite 81 VU). Der Landesbetrieb muss an seine gesetzlichen Verpflichtungen erinnert werden, bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Belange des Naturschutzes (§ 2 Absatz 2 BNatSchG) und des gesunden Wohnens (§ 1 Absatz 6 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB) zu unterstützen. Es wird Kompromisse geben müssen.

Der Rhein-Sieg-Kreis verweigert sich einem Interessenausgleich mit Bonn, das den Verkehrsengpass auf der A 565 in Endenich (Tausendfüßler) durch eine dritte Fahrspur in beiden Fahrtrichtungen auflösen will (vor und hinter dem Engpass gibt es schon heute jeweils drei Fahrspuren in jeder Richtung). Der Kreis setzt auf Beschleunigung des Motorisierten Verkehrs durch den Bau der Südtangente Bonn, um den Preis der Verlärmung unserer Wohnquartiere und des Wohnumfeldes zwischen Birlinghoven und Vinxel (Link zu 1.2). Dieser Konflikt kann durch eine Personalrochade möglicherweise aufgelöst werden.

Die IHK will die Mobilitätskosten für ihre Firmen senken (Südtangente). Schäden und Belastungen für Mensch, Natur und Umwelt gehen nicht in betrieblichen Kostenrechnungen ein und werden nicht berücksichtigt. Die IHK sollte stärker auf ihre vielen kleinen Pflichtmitglieder hören, die eine ganz andere Position vertreten.

IHK, RSK und Landesbetrieb Straßen NRW ignorieren starrsinnig die gutachterlich festgestellte Umwelt-Unverträglichkeit des Ennert- und Venusbergaufstiegs.

 

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